Mittwoch, 02. Juli 2025

Indien – so fern und doch so nah

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Bei ihrer Exkursion zum Frankfurter Flughafen interviewten die Schüler eines Erdkunde-LKs der MSS11 am Frankfurter Flughafen Menschen aus den USA, Turkmenistan, Hongkong und Indien.

Langsam rollt der Jumbo-Jet an diesem heißen Nachmittag im späten Juni an den Beginn der Startbahn, bleibt kurz stehen – und dann wird es richtig laut auf der Besucherterrasse des Flughafens Frankfurt: Die Triebwerke der Boeing 747 drehen auf und das zweitgrößte Passagierflugzeug der Welt setzt sich in Bewegung, rollt immer schneller und hebt schließlich ab. Die nächste Boeing 747 biegt derweil schon auf die Startbahn ein. Wieder wird es ohrenbetäubend laut und schon eine Minute später ist auch sie in der Luft. Wohin fliegen die beiden Maschinen, fragen sich die Schülerinnen und Schüler des Erdkunde-LKs EK2 der MSS11, Frau Reinhard und Herr Kohn. Ein Blick auf die Abflug-Anzeige hilft nur wenig, denn allein zwischen 13:00 und 13:10 Uhr starten nicht nur zwei Flüge, sondern insgesamt 14 – unter anderem nach Washington D.C., Philadelphia, Istanbul, Bahrain, und drei nach Indien (Hyderabad, Mumbai und Delhi).

Dreimal nach Indien allein in diesen zehn Minuten – warum ist das so, warum nicht in andere Länder wie Venezuela, Syrien oder die Zentralafrikanische Republik? Warum werden laut dem Flughafenbetreiber Fraport AG „nur“ 96 der insgesamt 195 Länder der Welt von Frankfurt aus angeflogen? Genau das war in den vergangenen Wochen das Thema im Unterricht des Leistungskurses: Globale Disparitäten – also die Entwicklungsunterschiede zwischen den wohlhabenden Industrieländern mit guter Schulbildung und einem guten Gesundheitssystem auf der einen Seite und weniger weit entwickelten Staaten auf der anderen. Auf der Anzeigetafel in der Abflughalle spiegeln sich also die Entwicklungsunterschiede unserer Welt – und Indien ist ja mit über 1,42 Milliarden Menschen nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde, sondern auch einer der sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), der aktuell in Sachen Wirtschaftswachstum und Entwicklung ganz weit vorne mit dabei ist.

Indien – aus diesem Land kommen zeitgleich auch Flüge in Frankfurt an und so wartet bei den Ankünften ein junger Inder auf seine Frau. Sie ist schon vor einer Weile gelandet und wartet wohl gerade noch auf ihre Koffer, erzählt der junge Mann einer Schülerin und einem Schüler aus dem LK, die mit im Unterricht vorbereiteten Fragebögen ausgeschwärmt sind um die Menschen am Flughafen mit Blick auf die Länder zu interviewen, in die sie an diesem Tag fliegen wollen, oder aus denen sie gerade gekommen sind. Er habe hier in Deutschland studiert und dann auch einen Job gefunden, erzählt der junge Mann aus Indien. Heute sei nach so langen Jahren endlich der Tag, an dem seine Frau, die die ganze Zeit in Indien gelebt hat, nachkommt nach Deutschland um nun mit ihm hier zusammenzuleben. Die strahlenden Augen des Mannes zeigen es ohne jeden Zweifel – für ihn ist der Frankfurter Flughafen ein Segen, besonders heute.

Ebenso dürften dies die weit über 80.000 Angestellten sehen, die am bzw. für den Flughafen arbeiten. Und die beiden jungen Frauen aus Deutschland, die einem anderen Interview-Team erzählen, dass sie mit ihren Backpacks gerade auf dem Weg nach Bali sind. Ebenso die beiden Frauen aus Kalifornien, die nach ihrem elfstündigen Flug gerade in Frankfurt gelandet sind und nun auf ihren Anschlussflug nach Griechenland warten, oder der Mann aus Turkmenistan, der nun hier lebt und einen eben gelandeten Freund aus der Heimat abholen möchte. Ohne den Flughafen wäre es auch schwer vorstellbar, dass Frankfurt den Status einer weltweit bedeutenden Global City halten könnte, besprechen die Schüler untereinander. Denn all die Geschäftsleute aus den Bankentürmen in Frankfurt müssen gelegentlich zu Dienstreisen zum Beispiel nach London und haben nicht genug Zeit für die klimaschonendere Zugfahrt, oder auch zu weiter entfernten Zielen (in die USA, vielleicht inzwischen sogar manchmal nach Indien?). Der Flughafen ist eben einfach in jeder Hinsicht faszinierend – so lautet natürlich auch die Botschaft der Ausstellung im „Fraport Besucherzentrum“, die die Schüler mit einer Rallye erkunden.

Wozu sich dabei nichts finden lässt, ist die Kritik der Anwohner aus den umliegenden Orten und Städten am Fluglärm, den sie als Fluch bezeichnen. Zum Glück haben die Schüler nicht nur eigene Inputs zur Geschichte des Flughafens vorbereitet (erste Linienflüge mit Luftschiffen im Jahr 1912) und zum aktuellen Betrieb (mit über 60 Millionen Fluggästen pro Jahr der fünftgrößte Flughafen Europas), sondern auch zur Kritik am Flughafen: Die Anwohner klagen über Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie über einen Lärm im Minutentakt, der eine normale Unterhaltung im Freien beinahe unmöglich macht und die Menschen in einen ungesunden Dauerstress versetzt. Anwohner-Initiativen fordern daher eine Ausweitung des Nachflugverbots von derzeit sechs Stunden (zwischen 23:00 und 5:00 Uhr) auf acht Stunden (zwischen 22:00 und 6:00 Uhr), da sie fürchten, durch die gestörte und zu kurze Nachtruhe schwer krank zu werden. Andere Kritikpunkte, die die Schüler einander vorstellen und diskutieren, sind die unfassbar hohen CO2-Emmissionen durch die vielen Flugzeuge, aber auch die Abholzung von Waldgebieten und die Verdrängung von Wildtieren durch die regelmäßigen Erweiterungen des Flughafens.

Aber, was ist der Frankfurter Flughafen nun unterm Strich für die Schüler – ein Fluch oder ein Segen? In der Nachbesprechung tendieren die meisten Mitglieder des Leistungskurses dazu, die Vorteile schwerer zu gewichten als die Nachteile (immerhin gibt es erste Solarzellen zur Stromgewinnung auf dem Flughafen und für die gefällten Bäume werden anderswo neue Bäume gepflanzt). Doch es stimmt den Kurs nachdenklich, dass jeder weitere Ausbau sowie die geplante Erhöhung der Anzahl der täglichen Starts und Landungen eine noch stärkere Umweltbelastung mit sich bringen wird. Wie dringend braucht es also noch mehr Flüge über die umliegenden Ortschaften, besonders Kurzstreckenflüge? Allein zwischen 13:00 und 13:10 Uhr starten ja heute schon Flieger nach Hamburg, Hannover, Leipzig, Zürich, Bremen und sogar nach Köln - bloß 55 Minuten mit dem Zug entfernt.

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